28 September 2004 - Uyuni, Bolivien
Hallo Freunde
Mehr als zwei Monate verbrachte ich nun hier in Uyuni, Bolivien. Eigentlich
ist Uyuni kein Ort um laenger zu bleiben. Doch als ich nach fast einem Jahr
reisen hier ankam und mir die Moeglichkeit geboten wurde bei Colquetours
als Touriguide zu arbeiten, entschloss ich mich zu bleiben. Die ersten Wochen
begleitete ich Gruppen von Uyuni nach San Pedro de Atacama, Chile. Erst ueberquerten
wir den Salar de Uyuni, fuhren vorbei an Lagunen voller Flamingos, an einem
roten wie auch einem gruenen See, hoch auf 4900m zu einem Geysierfeld und
ich belaberte die Touris mit dem Wenigen was ich wusste.
Nach fast einem Monat verkrachte ich mich mit der Sekretaerin, die in Uyuni
im Buero arbeitete. Erst stritten wir uns ein bisschen, bis die Sache eskalierte.
Ich sei ein Arsch, ich nehme ihr die Arbeit weg und sie wolle mich nicht
mehr sehen, warf sie mir vor. So erschien sie ploetzlich nicht mehr zur Arbeit
und wir sahen uns tatsaechlich nicht mehr. Einen Monat fuehrte ich nun das
Colquebuero in Uyuni. Vom Guide zum Sekretaer in weniger als einem Monat.
Ich haette es wohl noch zum Chef geschafft!
Je laenger ich hier war, desto mehr sah ich ins bolivianische Leben rein.
So erzaehlte mir ein Chauffeur von einem Kleinflugzeug, welches vor Jahren
neben seinem Doerfchen abgestuerzt sei. Das Flugzeugfrack diente den Bewohner
als Baumaterial. Aus den Fluegeln wurden Tueren gemacht, die Raeder fuer
Wagen gebraucht und die Sessel stehen in der Stube einer Familie und dienen
als Sofa.
Oder ein anderer Chauffer, bei dem ich mich nach dem Zustand seines Jeeps
erkundigte. Er meinte, dass sein Jeep super laufe, sei ja noch fast neu,
habe nur erst 200?000 gafahrene Kilometer?..
Wieder einmal auf Tour bereitete ich mit den Chauffeuren unser Nachtessen
zu. Als ich vor einem Jahr in Argentinien auf den Estancias halt machte,
wurde mir ploetzlich ein Schafskopf serviert. Hier ist nun Lama trumpf und
so gabs zwei gegrillt Lamakoepfe. Vor einem Jahr war ich noch nicht so mutig,
ass das Backenfleisch. Diesmal griff ich zu. Die Zunge schmeckt fast wie
sonstiges Fleisch, das Hirn ist einer Paste aehnlich, nur die Augen liess
ich auch diesmal beiseite?
Manchmal amuesierte ich mich koestlich ab meinen Touris. Wo nur Sand zu sehen
ist erkundigen sie mich nach dem Namen des Sees. Sie fragen mich, ob wir
uns dieser Gruppe Voegel naehern koennen, obwohl es nur ein paar schwerze
Steine waren. Japaner, die sich auf der Citytour in Potosi einen ueberdimensionalen
Sonnenhut aufsetzten, sich Sonnenbrillen anschnallten und sich Staubmasken
vor die Nase bindeten. Israelis, die umbedingt ihr Naktfoto auf dem Salar
schiessen wollten?..
Doch mit der Dauer meines Aufenthaltes machte mir das Leben hier in Uyuni
zu schaffen. Wirklich schoen ist es nicht und so bleiben die Touris auch
nur gerade um am naechsten Tag weiter reisen zu koennen. Ich lernte viele
interessante und lustige Leute kennen, doch laengere Bekanntschaften waren
unmoeglich. So beschloss ich letzte Woche, meine Sachen wieder zu packen,
mich auf meinen Rulo zu schwingen und weiter zu reisen. Am 1.Oktober letztes
Jahres fuhr ich mit Roegu aus Buenos Aires los ? am 1.Oktober dieses Jahres
verlasse ich nun Uyuni.
Es faellt mir schwer wieder aufzubrechen und all die Leute hier zurueck zu
lassen. Omar zum Beispiel, mit dem ich hier im Buero zusammen arbeitete.
Er ist 23jaehrig, einen Kopf kleiner als ich und wir verstanden uns super.
Nun wird er alleine das Buero weiter fuehren muessen.
Oder all die Chauffeurs. War ich mit ihnen auf Tour, so sprachen wir stundenlang
zusammen und lachten viel. Sie nahmen mich auf wie einer von ihnen und bei
ihnen fuehlte ich mich wohl. Wahrend meinen ersten Tours setzte ich mich
an den Abenden jeweils zu den Touris; die letzten Wochen bevorzugte ich die
Gesellschaft meiner Chauffeure. Sie hiessen Emilio, Grover, Felipe, Anastasio,
Agustin, Raul, Cesar, Primo, Alejo, Crispulo, Victor, Natalio, Satuco, Hector,
Wilfredo ? ich werde sie vermissen. Sie mich hoffentlich auch ein bisschen...
Nun werde ich wieder mein eigener Chauffeur sein. Ausgiebig will ich noch
durch Bolivien fahren, in La Paz Ramiro, mein Austauschbruder besuchen, bevor
ich dann weiter durch Peru radeln werde. Wie wird es mir wohl vorkommen,
wieder alleine unter einem Baum mein Zelt aufzuschlagen? Es ist wieder ein
Neubeginn, auf den ich mich freue, vor dem ich aber auch etlichen Respekt
habe.
Liebe Gruesse
Chrigu
Uyuni, Bolivia