7 Mai 2006 - Belize City, Belize
Hallo Freunde
Nach fast drei Monaten in Guatemala und fast drei Jahren in Lateinamerika bin
ich in Belize angekommen. Hier spricht man Englisch. Hier spuert man den Einfluss
Englands als ehemalige Kolonialmacht. Hier ist alles ein bisschen anders. Auf der
Strasse kreuzen mich englische Militaerjeeps. Die Rastalocken der Maenner reichen
bis ans Arsch. Um die Haeuser gibt es keine Schutzmauern. Es stehen nicht
bewaffnete Waechter vor jedem Geschaeft. Und die Rasen vor den Haeusern sind gruen.
Doch erst fuhr ich noch ein ganzes Stueck durch den Peten, das Teifland Guatemalas.
Guatemala hat neben einer hoechst interessanten nahen Vergangenheit auch eine
aeusserst spannende weit zurueckliegende Geschichte. Diejenige der Mayakultur.
Heute besucht man davon deren Ueberbleibsel.
Ich fuhr nach Quirigua zu den Ruinen, einer eher kleinen Archaeologie- staette.
Bis zu fuenf Meter hohe, reich verziehrte Steinsaeulen ragen dort aus dem Boden
empor. Die Ruinen werden umgeben von Bauemen. Doch ist dieser Wald eine Enklave.
Rund um das kleine Schutzgebiet erstreckt sich eine riesige Bananaenplantage.
Die Besitzer – die Del Monte Company.
Fuer die Nacht durfte ich mein Zelt gleich neben dem Eingang zu den Ruinen von
Quirigua aufstellen. Am naechsten Tag wurde ich auf dem Privatweg durch die
Plantage gelassen. Auch wieder ein Vorteil, mit dem Velo unterwegs zu sein.
Autos kommen da keine durch. So sah ich, was man wohl nicht sehen duerfte -
die Arbeitsablaeufe und Arbeitskonditionen bei Del Monte.
Als ich mit Rigoberto bei den Ruinen von Quirigua redete, meinte dieser, dass
ein Arbeiter hoechstens 15 Jahre in der Palntage arbeite. Dann sei der Ruecken kaputt.
Ich fuhr an sicher sechs Verpackzentren vorbei. In Reih und Glied waren die
Bananenstraeusse aufgehaengt. Gearbeitet wird am Fliessband. Ich machte viele
Fotos, da in Worten der Ablauf kaum zu beschreiben ist. Bis ich aufgefordert
wurde, die Kamera einzupacken. Es sei verboten, hier Bilder zu machen.
Del Monte wird seine Gruende haben, dass keine Fotos von dieser Plantage
geschossen werden. Hier soll nicht gefoetelet werden – hier wird gearbeitet.
Es wird geschnitten, verpackt, gewaschen. Mit grossen Sattelschleppern werden
die Einheitsbananen zum Hafen nach Puerto Barrios gefuehrt, von wo sie in die
USA geschifft werden. Dafuer kommt schon der Plastik um den Bananenbund. Und
dass nicht einem US-Amie ein hoher Lohn bezahlt werden muss, wird auch schon der
Preis darauf geklebt!!! Der Amie muss nur noch kaufen und fressen.
Ich fuhr an der kleinen Flugpiste vorbei. Zwei Propellermaschienen bespruehen
die Pflanzen taeglich mit Gift gegen Pilze. Dass unter den Pflanzen Arbeiter
die Stauden putzen, sie gerade binden und die Bananen ernten, stoert da niemandem,
erzaehlte mir Rigoberto.
Waehrend 20km fuhr ich durch die Del Monte Bananenplantage. So lang ist sie.
Und dazu sicher auch so breit. Das sind ca. 400km2 im Besitz der us-amerikanischen
Del Monte Company. Guatemaltekisches Land, wo kein Guatemalteke durchfahren darf,
falls er sich nicht bei Del Monte versklaven laesst. Eine us-amerikanische
Enklave in mittelamerikanischem Territorium.
Dann fuhr ich hinaus ins den Peten, dem Tiefland Gutemalas. Von da weg geht es
raus auf die Yucatan Halbinsel. Ich stellte mir das Land als aeusserst flach
und stark bewaldet vor. Beides stellte sich als Irrtum heraus.
Ich fuhr vorbei an runden, geschwungenen Huegel. Ueberall erblickte ich eine
weitere Huegelkuppe. Die Strasse fuehrte in vielen Boegen um die Kuppen herum.
Oft fuhr ich in einer endlosen Berg- und Talfahrt durch die Huegellandschaft.
Wo ich Huegl sah, sah ich meistens auch Tropenwald. Doch war es etwas flach,
so war alles abgeholzt. Riesige Kuherden grasen nun dort, wo einmal ueppiger
Tropenwald den Boden bedeckte. Vor fuenf Jahren wurde die Strasse asphaltiert.
Nun, da das Gebiet gut erschlossen ist, geht die Abholzung ununterbrochen weiter.
Schrieb ich im letzten Massenmail: „Doch immer oefters sah ich braun. Viele
Teile der steilen Berghaenge werden mit Machenten abgeholzt“, aenderte sich nun
die Farbe. Nun sah ich sprichwoertlich schwarz. Hier erledigt das Feuer die Arbeit.
Taeglich fuhr ich an lodernden Flammen vorbei, sah in der Ferne Rauchsaeulen
aufsteigen oder erblickte riesige verkohlte Flaechen.
Ich traf Alberto. Vor 40 Jahren habe sein Vater beim Bau der ersten Strasse durch
den Peten mitgearbeitet, so dass die Familie sich eine der neu eingezonten Fincas
kaufte. Der Tropenwald sei undurchdringlich gewesen. Als es in der Regenzeit zu
giessen begann, haetten sich Teile ihres Landes ueberflutet.
In den letzten Jahren musste der Tropenwald saftig gruenen Weiden Platz lassen.
Ich treffe Evesquiel. Er erzaehlte mir von seinen 600 Kuehen, die sich auf 200ha
Land vollfressen koennen. 200ha, die gerodet wurden, so dass Fleisch erzeugt
werden kann. Als ich mir am naechsten Tag ein Mittagessen goennte, beisse ich
in ein saftiges Stueck Fleisch. Wie viele Beume mussten wohl fallen, dass diese
Kuh geschlachtet werden konnte? Da stelle ich mir eben auch ploetzlich die Frage,
ob es gerechtfertigt ist, weiterhin Fleisch zu essen. Sollte man unter diesen
Umstaenden Vegetarianer werden?
Dass die Natur nicht gaenzlich leidet, wird heutzutage Naturschutz betrieben.
So erzaehlte mir Alberto von seiner vor 40 Jahren gekauften Finca. Rund um sein
Eigentum wurde gnadenlos abgeholzt. Er liess die Baeume stehen. Er zeigte mir
ein Satellitenbild der Zone. Sein Grundstueck ist klar sichtbar. Ein rechtwinkliges
Viereck sticht aus der kahl gerodeten Landschaft heraus. Nun hat er es zum
Naturschutzgebiet deklariert. Er zeigt mit Fotos eines Jaguars. Doch wie kann
dieses Tier aus dieser Waldinsel zu seinen in anderen Waldresten lebenden
Artgenossen gelangen.
Flaechen werde eingezaeunt, um sie zu schuetzen. So auch in der Naehe von Tactic.
Dort ist das Biotopo del Quetzal geschaffen worden. Der Quetzal ist der
Nationalvogel Guatemalas. Doch leider sieht man ihn kaum noch. Er besitzt eine
wahnsinnig schoene, lange Schwanzfeder. Dafuer wurde er abgeschossen.
So fuhr ich ins Biotopo del Quetzal. Eine Tafel wies auf dessen Beginn hin.
Keine 200m danach fuhr ich an einer grossen Saegerei vorbei. Wo bleibt da der Naturschutz?
Oder dann forderten Stassenschilder den Passanten auf, keine dem Wald entnommenen
Pflanzen zu kaufen. Die Schilder waren aber alle zur Unleserlichkeit versprayt,
denn wenige hundert Meter spaeter verkauft eben jemand solche Pflanzen.
Wo bleibt da der Naturschutz?
Was ist wohl der nachhaltigste und sinnvollste Naturschutz? Kann es Naturschutz
geben, wenn sich der Mensch weiterhin vermehrt?
Heute leben ca. 14 Millionen Personen in Guatemala. Vor Tagen entdeckte ich in
der Sonntagspresse eine Schaetzung, dass sich in 40 Jahren diese Zahl verdoppelt
haben wird. Auf eine aehnliche Zahl stiess ich vor Monaten in Venezuela. Seit
1960 hat sich dort die Bevoelkerung verdoppelt. Nun frage ich mich, wo denn all
die Leute noch wohnen sollen!? Wo sollen all die Kuehe weiden, die all die Leute
essen werden?
Die Welt vertraegt uns Menschen fast nicht mehr. Alberto meinte, dass die
Flaechen, die vor 40 Jahren waehrend der Regenzeit unter Wasser standen, heute
trocken bleiben. Das Kilma habe sich geaendert. Wieso wohl?
Alberto aber praesentierte mir eine andere Loesung gegen das Bevoelkerungsproblem.
Er ist Agraringenieur, so dass er die Loesung in der Modernisierung des Ackerbaus
sieht. Mehr Ertrag auf gleicher Flaeche. Das Taschentuch, auf welchem wir leben,
soll also weiter ausgepresst werden, bis es wirklich trocken ist.
Ich fuhr zu den Ruinen von Tikal. Doch traf ich es sehr schlecht fuer den Besuch.
Erstens war es Sonnag und zweitens auch noch gleich der 30. April, wo der Tag
darauf ein Feiertag ist. So schien es, dass ganz Guatemala nach Tikal gefahren
sei um dort auf die Pyramieden zu klettern. Der Ticketkontrolleur am Parkausgang
erzaehlte mir von 2000 Personen, die an diesem Sonntag Einlass bekommen hatten.
Das war schlicht zuviel. Bei so vielen Leuten war die Magie des Ortes fuer mich
nicht zu fuehlen. Tikal war an diesem Sonntag ganz hohe Seinhaufen und reichlich
zu viele Leute.
Ich fuhr nach Belize. Fuer Schweizerbuerger herrscht hier Visumpflicht, wofuer
reichlich Geld verlangt wird. Ganze 50U$ musste ich bezahlen, dass ich nach Belize
einreisen durfte. Die Noten des Belize-Dollars, mit welchen ich mein Visum bezahlte,
werden mit dem Laecheln von Queen Elizabeth II geschmueckt.
Zwei Tage fuhr ich durch Staatsgebiet von Belize. Die Bevoelkerungsdichte liegt
bei tiefen 10P/km. Das Land scheint leer zu sein. Die Hauptstadt ist Belmopan.
Dort leben nur gerade 7’000 Personen.
Vor den Haeusern ist ploetzlich der Rasen gruen. Die Haeuser sind aus Holz gebaut.
Sie stehen auf Stelzen. Man redet oft von der Hurrikan-Saison, die in wenigen
Wochen wieder beginnen wird. Darueber, dass es letztes Jahr Cancun getroffen hat,
ist man froh. Dort hielten die massiven Hotelburgen dem Sturm nicht stand. Kommt
ein solcher Sturm auf Belize zu, werden die Holzhaeuser hier leiden. Zur Zeit
ist es noch still und man hofft, dass die Hurrikane auch dieses Jahr wieder
anderswo zuschlagen werden.
In Cancun werde ich in einigen Tagen sein. Vom den Zerstoerungen des Hurrican
Wilma sei dort aber schon nicht mehr viel zu sehen. Ueber Ostern seien wie jedes
Jahr tausende von Touristen ins „spring-braek“ geflogen, wofuer in Windeseile
die Narben des Sturmes geflickt werden mussten. Ich bin gespannt, was ich in
Cancun zu sehen bekomme.
Gruss Chrigu
Belize City, Belize