> Walden: Ein Leben mit der Natur - Henry David Thoreau




S.13
Es scheint, als haetten die Menschen sich absichtlich fuer die allgemein uebliche Lebensweise entschieden, weil sie dieser jeder andern vorziehen. Indes sind sie ehrlich davon ueberzeugt, keine andere Wahl zu haben.

S.14
Wenn ich irgendwelche Kenntnisse erworben habe, die mir von Wert erscheinen, so verdanke ich sie bestimmt nicht meinen Ratgebern.

S.16
Konfuzius sagt: „Zu wissen, dass wir wissen, was wir wissen, und dass wir nicht wissen, was wir nicht wissen, das ist das wahre Wissen.“

S.17
Unter dem Wort Lebensbeduerfnisse verstehe ich alles, was sich der Mensch durch eigene Muehe erwirbt, was ihm seit jeher oder durch lange Gewoehnung so wichtig geworden ist, dass hoechstens Wilde, Arme oder Philosophen je versuchten, ohne es auszukommen.

S.19
Fast jeder Luxus und viele der sogenannten Bequemlichkeiten des Lebens sind nicht nur entberlich, sondern ein ausgesprochenes Hindernis fuer die Hoeherentwicklung der Menschheit.

Nur freiwillige Armut verleiht die Ueberlegenheit unparteiischer und weiser Betrachtung des menschlichen Lebens.

S.20
Philosoph sein heisst nicht nur, tiefsinnige Gedanken zu haben, nicht einmal eine eigene Schule zu gruenden; es heisst vor allem, die Weisheit so sehr zu lieben, dass man ihren Erkenntnissen gemaess ein Leben der Einfachheit, Unabhaengigkeit, Grossmut und Zuversicht fuehrt, und es heisst einige Probleme des Lebens nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu loesen.

Wenn er (der Mensch) einmal die Dinge erlangt hat, die zum Leben notwendig sind, gibt es noch eine ander Moeglichkeit, als nach dem Ueberfluessigen zu trachten: sich an das Leben selbst zu wagen, wenn der reine Existenzkampf nicht mehr seine ganze Kraft beansprucht.

S.21
Ich denke auch an jene scheinbar Reichen, tatsaechlich aber unendlich Armen, die wertlosen Plunder angehaeuft haben und nicht wissen, was sie damit anfangen sollen; sie haben sich ihre eigenen silbernen oder goldenen Fesseln geschmiedet.

S.27
In der Frage der Kleidung lassen wir uns bei ihrer Anschaffung weit mehr von der Sucht nach Neuartigkeit und der Ruecksicht auf die Meinung anderer leiten als von ihrer Zweckmaessigkeit.

S.28
Es waere interessant festzustellen, in welchem Mass die Menschen Rang und Ansehen behielten, wenn man sie ihrer Kleidung entledigt.

S.29
Huetet euch vor jedem Unternehmen, das neue Kleider erfordert und nicht einen neuen Menschen.

Nicht was wir anhaben, sondern was wir tun, vielmehr was wir sind – darauf kommt es an!

S.34
Voegel singen nicht in Kaefigen.

S.40
Wenn der Mensch endlich ein Haus besitzt, so ist er deswegen nicht reicher, sondern eher aermer geworden, denn nicht er hat das Haus – das Haus hat ihn.

Unsere Haeuser sind ein so schwerfaelliger Besitz geworden, dass wir in ihnen eher gefangen als beherbergt sind.

S.42
Muessen wir es denn immer darauf anlegen, mehr zu besitzen? Koennen wir nicht einmal mit weniger zufrieden sein?

S.45
Der Sinn fuer das Schoene wird am besten im Freien ausgebildet, fernab von Haeusern und Haushaltung.

S.61
Die besten Jahre seines Lebens auf den Gelderwerb zu verwenden, nur um waehrend der minder wertvollen Jahre eine fragwuerdige Freiheit zu geniessen, erinnert an den Englaender, der zuerst nach Indien ging, um reich zu werden, und dann nach England zurueckkehren wollte, um dort ein Dichterleben zu fuehren. Warum zog er nicht gleich in eine Dachkammer?

S.65
Ein einziger guter Gedanke ist mehr wert als jede Gedenksaeule, und wenn sie bis an den Mond reichte. Ich sehe Steine lieber an ihrem urspruenglichen Platz.

S.71
Der Mensch ist ein Lebewesen, das sich mehr als alle andern den verschiedenen Witterungs- und Lebensverhaeltnissen anpassen kann.

S.81
Vor allem aber kann derjenige, der allein ist, bereits heute abreisen; wer aber mit einem andern reist, muss warten, bis dieser soweit ist – und das kann unter Umstaenden sehr lange dauern.

S.83
Nichts hat einen so schlechten Beigeschmack wie falsche Guete.

S.86
Seine Guete soll nicht ein besonderer, voruebergehender Akt, sondern ein bestaendiges Ueberfliessen sein, das ihn nichts kostet und dessen er sich nicht bewusst ist.

Wir sollten unsere Mitmenschen an unserem Mut teilnehmen lassen, nicht an unserer Verzweiflung, an unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden, nicht an unserer Krankheit, die weiterzuverbreiten wir lieber vermeiden sollten.

S.87
Nie kannte ich einen schlechteren Menschen, noch werde ich je einen kennen, als ich selber bin.

S.91
Der Mensch ist um so reicher, je mehr er auf seinem Weg liegenlassen kann.

S.92
„Ich bin Herrscher, soweit mein Auge reicht, kein Mensch wird mir mein Reich bestreiten.“

S.93
Lebt frei und ungebunden solange wie moeglich. Es macht nicht viel Unterschied, ob ihr an ein Haus gebunden seid oder an ein Gefaengnis.

S.97
„Nur jene sind gluecklich auf dieser Welt, die sich ungebunden eines weiten Hoirizontes erfreuen“, sagte Damodara.

S.100
Die Beschaffenheit des Tages zu beeinflussen, das ist die groesste Kunst.

S.107
Ich glaube, unser Leben sit so erbaermlich, weil unsere Einsicht die Oberflaeche der Dinge nicht durchdringt. Wir nehmen den Schein fuer das Sein.

Ob wir nun schnell oder langsam gehen, der Weg ist uns gewiesen.

S.110
Jene Zeit, die wir veredeln, die sich veredeln laesst, ist weder Vergangenheit, Gegenwart noch Zukunft.

S.123
Willst du ein Leser sein, ein blosser Lernender – oder ein Sehender?

S.147
Auch die groesste Anstrengung der Beine kann meines Erachtens zwei Seelen einander nicht naeher bringen.

S.149
Ich bin gerne allein. Nie fand ich einen geselligeren Gesellschafter als die Einsamkeit.

Wir sind meistens einsamer, wenn wir uns unter Menschen begeben, als wenn wir in unserern Zimmern bleiben. Ein Mensch, der denkt oder arbeitet, ist immer allein, mag er sich aufhalten, wo er will. Einsamkeit laesst sich nicht nach der Entfernung bemessen, die einen Menschen von seinen Freunden trennt.

S.238
Guete ist die einzige Investition, die sich immer lohnt.

S.265
Ich habe das Gefuehl, vieler Menschen Haeuser betretten zu haben, aber ich habe nicht das Gefuehl, bei vielen Menschen zu Hause gewesen zu sein.

Nur der Wilde scheint noch nahe genug der Natur zu leben, um ihr seine Wortbilder zu entlehnen.

S.346
Sei ein Kolumbus neuer Welten und Kontinente in deinem Innern, eroeffne neue Kanaele, nicht fuer den Handel, sondern fuer das Denken.

S.349
Ich wollte die Reise nicht als Kajuetenpassagier machen, lieber wollte ich vor dem Mast, auf dem Deck der Welt stehen, denn dort konnte ich am besten das Mondlicht auf den Bergen sehen. Und ich habe auch jetzt nicht den Wunsch, unter Deck zu gehen.

Hast du Schloesser in die Luft gebaut, muss deine Arbeit nicht unnuetz gewesen sein; denn gerade dort sollen sie stehen. Jetzt gib ihnen das Fundament.

S.350
Der umherziehende Bueffel, der in anderen Laengengraden nach neuen Weidegruenden sucht, ist nicht so extravagant wie die Kuh, die den Eimer umstoesst, ueber den Zaun springt und waehrend der Melkzeit ihrem Kalb nachsetzt.